Herzinfarkt bei Frauen: Was wir heute wissen – und was sich ändern muss

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Warum dieses Thema aktueller ist denn je

Herz-Kreislauf-Erkrankungen gelten noch immer vielfach als Männerkrankheit – sowohl in der öffentlichen Wahrnehmung als auch in der klinischen Forschung. Das kann fatale Folgen haben: Denn Herzinfarkte betreffen Frauen mindestens ebenso häufig, verlaufen jedoch oft anders – und werden daher nicht selten zu spät oder gar nicht erkannt. Neue Empfehlungen führender Fachgesellschaften fordern nun ein geschlechtersensibles Umdenken in Diagnostik, Therapie und Nachsorge.

Atypische Symptome: Das Herz meldet sich anders

Während Männer beim Herzinfarkt häufig den klassischen Brustschmerz mit Ausstrahlung in den linken Arm schildern, äußert sich der Infarkt bei Frauen oftmals unspezifischer – etwa durch:

  • Übelkeit oder Erbrechen
  • Schmerzen im Oberbauch, Rücken oder Kiefer
  • ungewöhnliche Erschöpfung
  • Atemnot oder Angstgefühl

Diese atypischen Beschwerden führen häufig zu Fehleinschätzungen oder einer verzögerten Behandlung. Studien zeigen, dass Frauen im Schnitt rund 20 Minuten länger bis zur Erstbehandlung benötigen als Männer – mit nachweisbar schlechteren Überlebenschancen.

Unterdiagnostiziert trotz moderner Standards

Noch immer beruhen viele diagnostische Leitlinien auf Daten, die überwiegend an männlichen Patienten erhoben wurden. Biologische Unterschiede – etwa kleinere Herzkranzgefäße, hormonelle Einflüsse oder abweichende EKG-Muster – finden bislang kaum Berücksichtigung in der Routineversorgung.

Besondere Aufmerksamkeit erfordert der sogenannte MINOCA (Myokardinfarkt ohne Gefäßverschluss), der bei Frauen deutlich häufiger vorkommt. In diesen Fällen reichen standardisierte Abläufe oft nicht aus – gefragt ist ein individuelles diagnostisches Vorgehen.

Neue Empfehlungen: ESC und EAPCI fordern Umdenken

Im Juni 2025 haben die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) und die Europäische Gesellschaft für interventionelle Kardiologie (EAPCI) ein neues Konsensuspapier veröffentlicht, das erstmals klare geschlechterspezifische Handlungsempfehlungen bei akutem Koronarsyndrom formuliert.

Zu den zentralen Punkten gehören:

  • Anpassung der Medikamentendosierung an Körpergewicht und Nierenfunktion, um Blutungskomplikationen zu reduzieren
  • Bevorzugung des transradialen Zugangs bei Katheterinterventionen, da dieser bei Frauen mit geringeren Komplikationsraten einhergeht
  • Individualisierte Therapiestrategien bei MINOCA und spontaner Koronardissektion (SCAD), etwa mit Verzicht auf routinemäßige doppelte Plättchenhemmung

Diese Empfehlungen markieren einen wichtigen Schritt hin zu einer differenzierteren Versorgung – und rücken eine lange unterschätzte Patientengruppe stärker in den Fokus.

Sekundärprävention: Der entscheidende Unterschied nach dem Infarkt

Auch nach überstandenem Herzinfarkt erhalten Frauen seltener die empfohlenen Folgebehandlungen. Sie werden seltener in Rehabilitationsprogramme eingebunden, nehmen Medikamente wie Statine oder ACE-Hemmer seltener ein und erhalten weniger Beratung zu Lebensstilveränderungen.

Dabei besteht gerade bei Frauen oft ein erhöhtes Risiko – etwa nach Schwangerschaftskomplikationen, bei Autoimmunerkrankungen oder vorzeitiger Menopause. Eine konsequente Sekundärprävention kann hier Leben retten.

Empfehlenswert ist eine frühzeitige Einbindung in kardiologische Reha-Angebote, eine konsequente medikamentöse Sekundärprophylaxe sowie ein aktives Risikomanagement.

Fazit

Herzinfarkte bei Frauen verlaufen anders – und erfordern ein anderes medizinisches Vorgehen. Die neuen Empfehlungen der ESC und EAPCI verdeutlichen, dass geschlechterspezifische Medizin kein Randthema mehr ist, sondern zunehmend zum Standard wird.

Für Ärztinnen und Ärzte bedeutet das: Symptome differenziert bewerten, atypische Verläufe ernst nehmen und therapeutisch differenzieren – für mehr Sicherheit, mehr Qualität und bessere Langzeitergebnisse.

Quellen (Stand: August 2025)

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