
Neue GOÄ - der Faktor
INHALT
In der GOÄ 96 ist in § 5 Abs. 2 GOÄ festgelegt, dass sich das Honorar an der Schwierigkeit und am Zeitaufwand ausrichtet. Für ärztliche Leistungen gilt der Faktor 2,3 als die korrekte Größe für eine durchschnittlich aufwendige Leistung. Bei aufwendigerer Ausführung kann regelhaft bis zum 3,5-fachen Faktor gesteigert werden. Soll ein höherer Faktor über dem 3,5-fachen Satz angesetzt werden, muss vorher im Einzelfall eine schriftliche Vereinbarung getroffen werden, § 2 Abs. 2 GOÄ 96.
Kein regelhafter Faktor mehr
Das wäre in der neuen GOÄ (Entwurf vom 30.05.2025) nach § 4 GOÄ-E nicht mehr möglich. Ein höherer Aufwand kann dort im Regelfall nur über Zuschläge geltend gemacht werden. Zuschläge können nur in Verbindung mit einer zuschlagsfähigen Gebühr in Ansatz gebracht werden. Insofern ist das Modell insgesamt übernommen worden, das 2020 mit der Neuregelung der Vergütung Leichenschau in die GOÄ 96 implementiert wurde (Zuschläge statt Faktor). Dieser Ansatz war auch schon Bestandteil des damaligen Entwurfs der GOÄ-Novelle aus 2015, ist also schon lange in der Vorbereitung bzw. von der Kostenträgerseite gefordert.
Die Kostenträger hatten auch ein starkes Argument: Über Jahrzehnte haben die Fachärzte nur in 10 – 13 % der Fälle einen höheren Faktor angesetzt und gesteigert, während die Zahnärzte regelmäßig bei über 40 % der Rechnungen einen höheren Faktor als 2,3 angesetzt haben. Das PKV-Argument war: „Wenn die Option ‚Faktor‘ nicht genutzt wird, warum soll der Faktor dann erhalten bleiben?“
Spannend wird es dann bei der nächsten Novelle der GOZ, ob auch dort der regelhafte Faktor eliminiert wird. Bekanntlich werden die Argumente zu den beiden Gebührenordnungen immer parallel angeführt. Dementsprechend haben sich zahnärztliche Stimmen zügig nach Verabschiedung des Entwurfs positioniert.
Wird der Entwurf GOÄ-E so wie verabschiedet auch von der Regierung umgesetzt, wäre es perspektivisch wichtig, dass die Ärzteschaft jedenfalls die Zuschläge immer dann ansetzt, wenn sie begründet sind. Passiert das nicht, wäre beim nächsten Novellierungsanlauf das Argument der Kostenträger, dass offenbar auch Pauschalen das Behandlungsgeschehen ausreichend abbilden.
Honorarvereinbarung
Der GOÄ-E bietet in § 2 die Option einer Honorarvereinbarung, ähnlich wie die GOÄ 96. Insofern lässt sich zwar nicht sagen, dass generell kein höherer Faktor als „1“ angesetzt werden könnte, aber die Anforderungen sind deutlich erhöht. Während in der GOÄ 96 bei jeder ärztlichen Leistung ein höherer Faktor möglich ist, wenn der Aufwand überdurchschnittlich war, bedarf es nach der GOÄ-E immer einer gesonderten Vereinbarung, die
- vor der Behandlung mit dem Patienten
- schriftlich getroffen werden und enthalten muss:
- Nummer der Leistung
- Bezeichnung der Leistung
- den Faktor
- dem Grund für die Abweichung
- den vereinbarten Betrag
- die Feststellung, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht oder nicht in vollem Umfang gewährleistet ist.
Neu im Vergleich zur Honorarvereinbarung nach der GOÄ 96 ist hier also außerdem, dass der Grund für die Abweichung in der Vereinbarung zu nennen, ist. Offen ist, ob als Grund
- die Angabe „HV“ für Honorarvereinbarung genügt, so wie es Anlage 2 der GOÄ-E für die Rechnung vorsieht, wenn eine Honorarvereinbarung getroffen wurde.
- oder ob z.B. wirtschaftliche Gründe wie erhöhte Sach- und Personalkosten genannt werden müssen.
Möglicherweise wird der Entwurf an dieser Stelle noch präzisiert, ansonsten wird es sich bei Umsetzung in der Praxis zeigen.
Eine Regelung für eine Obergrenze der Vereinbarung sieht die GOÄ-E nicht vor. Insofern ist denkbar, dass sich die bisherige Rechtsprechung fortsetzt, die oft ab dem doppelten Höchstsatz eine Sittenwidrigkeit angenommen hat, d.h. ab dem Faktor 7. Dann wäre bei der GOÄ-E der Faktor 2 die Obergrenze. Zusätzlich wäre offen, ob für die Berechnung die Ziffer gilt oder die Ziffer mit möglichem Zuschlag.
Teilleistungen
Positiv ist die Regelung in § 4 GOÄ-E, dass auch eine Teilleistung vergütungsfähig ist, wenn sie überwiegend erbracht worden ist. Gleichzeitig ist Voraussetzung, dass der Behandlungsabbruch
- nicht absehbar war
- medizinisch begründet war
- durch den Patienten verursacht wurde.
Nach jetziger Lesart genügt es, wenn eine der drei Ursache vorliegt. Denkbar ist allerdings auch, dass Voraussetzung 1 und 2 gemeinsam vorliegen müssen und Voraussetzung 3 allein genügt.
Offen ist des Weiteren, wann eine Leistung als „überwiegend“ erbracht gelten soll.