
"Unwahrscheinlich“ und „beunruhigend“ – Die Reform des Medizinstudiums und die Approbationsordnung 2027: Warum es immer noch hakt
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Der Masterplan Medizinstudium 2020 sollte das Medizinstudium grundlegend modernisieren: mehr Praxisnähe, eine Stärkung der Allgemeinmedizin und ein kompetenzorientierter Studienaufbau. Was 2017 beschlossen wurde, ist acht Jahre später noch immer nicht umgesetzt – und das Inkrafttreten der neuen Approbationsordnung wurde mittlerweile auf den 1. Oktober 2027 verschoben.
Rückblick: Ein Plan mit großen Zielen – und großem Finanzierungsbedarf
Im März 2017 stellten Bundesgesundheits- und Bundesbildungsministerium gemeinsam mit den Ländern den „Masterplan Medizinstudium 2020“ vor. 37 Maßnahmen sollten das Medizinstudium reformieren, darunter die frühere Einbindung von Patientenkontakt, mehr Allgemeinmedizin, ein neues PJ-Modell sowie neue Prüfungsformate. Doch von Anfang an stand das Vorhaben unter einem Finanzierungsvorbehalt. Die Expertenkommission des Wissenschaftsrates bezifferte die erforderlichen Mehrkosten auf rund 300 Millionen Euro. Bis heute konnten sich Bund und Länder nicht auf ein tragfähiges Finanzierungsmodell einigen – die Reform geriet ins Stocken, nicht zuletzt auch pandemiebedingt.
Approbationsordnung 2027: Viel vor, wenig umgesetzt
Die neue ärztliche Approbationsordnung sollte ursprünglich 2025 in Kraft treten. Doch auch im Frühjahr 2025 liegt lediglich ein überarbeiteter Referentenentwurf vor. Dieser sieht – zum Ärger vieler Fakultäten – bereits Kürzungen vor: So sollen Vorlesungen um rund 30 % reduziert und durch digitale Formate ersetzt werden. Auch das Blockpraktikum Allgemeinmedizin könnte um eine Woche gekürzt werden.
Ina Reiber, Leiterin des Referats Medizinstudium beim Hartmannbund, sieht die Umsetzung skeptisch: „Wir fürchten, dass selbst das neue Zieldatum 2027 gefährdet ist. Ohne verlässliche Finanzierungszusagen und entsprechende Vorbereitungszeit an den Universitäten kann ein so tiefgreifender Umbau des Studiums kaum gelingen.“
Kernpunkte der geplanten Reform
Trotz Verzögerungen bleibt die Zielrichtung des Masterplans erhalten. Im Zentrum stehen:
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Zulassungsverfahren: Neben Abiturnote und Wartezeit sollen künftig auch Motivation und soziale Kompetenzen stärker gewichtet werden.
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Praxisnähe im Studium: Der erste Patientenkontakt soll früher erfolgen. Die Allgemeinmedizin soll im Studienverlauf sowie im Praktischen Jahr (PJ) gestärkt werden.
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Prüfungsformate: Neue Prüfungen wie OSCEs (Objective Structured Clinical Examinations) sollen eingeführt werden. Auch die Arzt-Patienten-Kommunikation wird als Prüfungsinhalt aufgewertet.
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Neustrukturierung des PJ: Statt drei Tertialen sind vier Quartale à zwölf Wochen vorgesehen. Zwei Pflichtabschnitte in Innerer Medizin und Chirurgie bleiben bestehen, ein Quartal muss in einer ambulanten Praxis stattfinden, eines ist frei wählbar.
Studierendenvertretungen sehen Reform kritisch
Bereits 2014 hatte der Hartmannbund mit seiner Umfrage „Medizinstudium 2020 Plus“ festgestellt, dass viele Medizinstudierende skeptisch gegenüber Pflichtabschnitten in der Allgemeinmedizin oder einer verpflichtenden Forschungsarbeit sind. Eine Mehrheit (75 %) wünschte sich zwei Wahlquartale im PJ, um eigene Interessen vertiefen zu können.
Auch heute überwiegt Frustration. Peter Schreiber, Vorsitzender des Studierendenausschusses im Hartmannbund, äußert sich deutlich: „Dass Bund und Länder bis heute kein tragfähiges Finanzierungsmodell gefunden haben, beunruhigt nicht nur mich, sondern den gesamten Ausschuss – und wohl die meisten Medizinstudierenden, die sich mit dem Thema befassen.“
Fazit: Gute Ideen, fehlende Mittel – und eine Reform auf Abruf
Die Reform des Medizinstudiums bleibt ein zentrales bildungs- und gesundheitspolitisches Projekt – aber auch ein Paradebeispiel für politische Trägheit. Trotz breitem Konsens über die Ziele stockt die Umsetzung an der Schnittstelle von Finanzierungsfragen, föderalen Zuständigkeiten und strukturellen Reformhürden.
Ob die neue Approbationsordnung tatsächlich 2027 in Kraft tritt, bleibt offen. Die Notwendigkeit ist unbestritten – ebenso wie der Handlungsdruck.
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